Abstracts der Kongressvorträge 2025 Kongress der Deutschen Marktforschung 2025
Wenn GPT spricht – aber stimmt das auch? LLMs auf dem Prüfstand.
Prof. Dr. Dr. h.c. Marko Sarstedt, Ludwig-Maximilians-Universität München
Sprachmodelle wie ChatGPT sind längst keine Spielerei mehr, sondern halten zunehmend Einzug in die Marktforschung – ob bei der Generierung von Texten, der Auswertung offener Antworten oder sogar als Gesprächspartner in qualitativen Studien. Doch wie valide sind die Ergebnisse, die große Sprachmodelle (Large Language Models, LLMs) liefern? Können wir ihnen vertrauen – und wenn ja, in welchen Anwendungsfällen?
In diesem Vortrag werfen wir einen fundierten Blick auf aktuelle wissenschaftliche Studien, die sich mit der Validität und Verlässlichkeit von LLMs beschäftigen. Wir beleuchten unter anderem, wie gut LLMs darin sind, Informationen korrekt zusammenzufassen, inhaltliche Aussagen zu bewerten oder sogar menschliche Urteile zu simulieren – und wo sie scheitern. Dabei geht es nicht um Hype oder Technologiebegeisterung, sondern um eine praxisnahe und differenzierte Einordnung aus wissenschaftlicher Perspektive: Wo bieten LLMs echten Mehrwert, wo ist Vorsicht geboten, und welche methodischen Konsequenzen ergeben sich daraus für unsere Arbeit?
Ein Vortrag für alle, die sich nicht nur für die technischen Möglichkeiten interessieren, sondern vor allem für die Frage: „Stimmt das auch?“
Blackbox oder Glasbox: Warum "Transparenz" die Zukunft von KI im Market Research bestimmt
Sebastian Uhle, HARIBO Holding GmbH & Co. KG
Ich spreche über ein Thema, das nicht nur technologische, sondern auch soziale und strategische Dimensionen hat: Vertrauen in KI, Einsatz von KI und neue, sich daraus ergebende Aufgaben im Business-Alltag – insbesondere im Kontext von Market-/Consumer-/Shopper-Research. Eine Botschaft steht im Mittelpunkt: Transparenz schafft Vertrauen (in KI). Vertrauen basiert auf Klarheit und Berechenbarkeit. KI ist nach außen mitunter eine „Blackbox“. Hier müssen wir ansetzen: KI muss ihre Ergebnisse nachvollziehbar machen. In meinem Alltag nehmen die Angebote im Kontext von „KI“ zu: Integration von KI in bestehende Research-Lösungen, weitere Angebote durch technische Upgrades (zB Chatbots, LLMs, digitale Zwillinge, etc). Die Passung dieser Angebote mit den spezifischen Bedürfnissen erfordert einen gemeinsamen Prozess, der Zeit/Geld/Menschen auf allen Seiten benötigt. Die Rolle „von Research/Intelligence/Insights“-Bereichen wandelt sich vom etablierten Partner für „bekannte Lösungswege“ zum internen Berater, Gatekeeper, Erklärer und Brückenbauer für das „Neue“ – basierend auf aufzubauender eigener Expertise, Verstehen und Verständnis. Zeitgleich beschäftigen sich Unternehmen breiter mit „KI“ und die gemeinsamen Nenner von Use Cases werden gesucht – die Schnittstelle zwischen IT und Business intensiviert sich. Letztlich gilt es, eine gesunde Relation zwischen „Risiko-Absicherung“ und „Investment“ (Zeit, Menschen, Geld) sicherzustellen (auf dem Fundament von „Vertrauen“). Der Wandel bleibt stetig, wir lernen mit neuen Situationen umzugehen: Ablehnung, Einsicht/Emotionale Akzeptanz, Lernen und Erkenntnis – schlussendlich: Integration.
Gefühlte Wahrheiten und reales Empfinden: Befragtenverhalten morgen zwischen Bubble, Bias und Bauchgefühl
Dr. Silke Borgstedt, Sinus Markt- und Sozialforschung GmbH
In einer Welt, in der Fakten zunehmend als Meinungen verhandelt werden und persönliche Wahrheiten oft lauter sind als objektive Daten, verändert sich auch das Entscheidungsverhalten der Menschen. Filterblasen, kognitive Verzerrungen und emotionale Resonanzräume prägen die Art, wie Meinungen entstehen – und wie sie sich verfestigen.
Doch was bedeutet das für die Marktforschung? Wenn Verhalten immer weniger vorhersehbar erscheint und virtuelle Simulationen nur vergangenheitsbezogene Realität abbilden – wie können wir dann die Konsumentinnen und Konsumenten der Zukunft verstehen?
Der Vortrag wirft einen Blick auf die psychologischen und gesellschaftlichen Verschiebungen, mit denen die Marktforschung künftig konfrontiert sein wird. Er zeigt, warum wir trotz aller Modelle, Daten und KI eines nie verlieren dürfen: den direkten Kontakt zu echten Menschen.
Neu Forschungsansätze auf Basis der synthetischen Population „SynthiePop“:
Wie virtuelle Individuen durch Datenfusion und Machine Learning greifbar werden
Claudia Cramer, Statista GmbH
Klassische Erhebungsmethoden stoßen an ihre Grenzen: Langwierige Prozesse und „Fraud“ und „Bots“ gefährden die Datenqualität. Einige Zielgruppen sind kaum (mehr) erreichbar, und es ist zunehmend schwierig, mittels reiner Primärmarktforschung Aussagen über sehr kleine, spezifische Zielgruppen zu treffen.
SynthiePop, eine von Statista+ entwickelte synthetische Population, löst diese Herausforderungen. Basis ist eine umfassende Datenbank aus verschiedenen Quellen, erstellt mithilfe von statistischen Methoden und Machine Learning. Als Datenbasis dienen soziodemografische, Zensus und weitere frei verfügbare Daten sowie Statista eigene Befragungsdaten.
SynthiePop ist eine einzigartige Datenbank mit umfassenden Informationen zu Soziodemografie, Konsumverhalten, Mediennutzung, Einstellungen, uvm. Jede Person der Bevölkerung, jedes „virtuelle” Datenbank-Individuum, wird so direkt greifbar. Die Anwendungsfelder sind vielseitig: Markt- und Zielgruppengrößenberechnungen, Potenzialabschätzungen, Zielgruppensegmentierungen und -analysen. Dank GenAI und einem maßgeschneiderten ChatBot wird zudem die direkte Interaktion auch mit spitzen Zielgruppen möglich.
Der Pecha Kucha Vortrag von Claudia Cramer, Senior Director Market Research Insights bei Statista+. stellt die Methode und Anwendungsfelder von SynthiePop vor, mit Blick auf die Kombination von klassischer Marktforschung und Data Science.
Video Analytics als neue Datenquelle: Neue Formen zur Erhebung der Customer Experience bei Live-Events durch Applied AI
Dr. Michael Bartl, TAWNY GmbH
Der Veranstaltungsmarkt wandelt sich so schnell wie nie. Immer größere spektakuläre Multimediashows, Superstar-Phänomene wie die Swifties-Mania, neuartige Festivalkonzepte, und generell der Hunger nach emotionalen Erlebnissen nach Jahren der Pandemie. All diese Entwicklungen sind Grundlage des prognostizierten rasanten Wachstums der Veranstaltungsindustrie in den nächsten Jahren.
Damit ist diese Branche auch ein sehr spannendes Spielfeld für die Marktforschung. Im Moment beschränkt sich die Methodik im Wesentlichen auf Feedbackumfragen mit der Herausforderung sehr schwacher Rücklaufquoten, digitale Feedback-Apps, Interviews, oder komplizierte Eye-Tracking Apparaturen zur visuellen Aufmerksamkeitsmessung. Eine neue durch KI ermöglichte Form der Erfassung von Event-Analytics stellen kamerabasierte Verfahren dar. Hierbei werden Kamerabilder automatisiert analysiert, um Aussagen zur CX, visuellen Aufmerksamkeit sowie zur Zuschaueranzahl und Zusammensetzung zu erhalten. Der Vortrag zeigt, wie der neuartige Ansatz der KI-basierten Echtzeit CX-Forschung funktioniert und wie die Videodaten erhoben, verarbeitet und ausgewertet werden können. Hierbei immer im Blick, die Einhaltung des Datenschutzes und auch die mögliche Rolle der Marktforscher/innen in der Eventforschung.
Goodbye Forschung, hello AI Insights – Wie KI die Marktforschung revolutioniert
Carina Frisch, Uranos GmbH
Die Marktforschung steht vor einem epochalen Wandel: Klassische Methoden wie langwierige Befragungen und starre Fragebögen weichen schnellen, KI-gestützten „Instant Insights“. Mithilfe von Machine Learning, Large Language Models und spezialisierten KI-Agenten ergeben sich neue Anforderungen an Akteure und Prozesse, die die traditionelle Marktforschung radikal verändern. Doch wie weit trägt diese Revolution? Was passiert, wenn künstliche Intelligenz zur Artificial General Intelligence (AGI) wird? Unser Vortrag beleuchtet praxisnah, wie KI schon heute die Insight-Generierung verändert, zeigt Chancen und Risiken auf und wirft einen inspirierenden Blick auf die Zukunft einer KI-getriebenen Insight-Ökonomie.