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"Die Marktforschung steht an einem Wendepunkt" Interview mit Carina Frisch, Uranos GmbH

Sie haben mit nahezu allen Akteuren im Markt zu tun: Panel-Anbieter, Betriebliche und Institute: Wie nehmen Sie den Umgang der Parteien mit KI wahr, und sehen Sie Unterschiede in den Reaktionen?

Carina Frisch: Im Markt zeigt sich eine wachsende Spaltung: Auf der einen Seite stehen Akteure, meist große Player aus Instituten, Unternehmen und Panelanbietern, die an etablierten Methoden festhalten und KI mit Skepsis begegnen – oft aus Sorge um den eigenen Arbeitsplatz. Auf der anderen Seite entsteht eine dynamische Gruppe, die die Potenziale von KI erkennt, neue Tools nutzt und aktiv weiterentwickelt. Wir stehen am Anfang einer tiefgreifenden Transformation – nicht nur in der Marktforschung, sondern in der gesamten Gesellschaft. Wer jetzt nicht handelt, riskiert, den Anschluss schneller zu verlieren als bisher gedacht.

Werden wir bei zunehmendem Einsatz bspw. von synthetischen Panels immer mehr zu einer Art Mitte bei den Ergebnissen tendieren, die menschliche Ausschläge und Konturen verwischen lassen?

Die zunehmende Nutzung synthetischer Panels birgt tatsächlich das Risiko einer Ergebnisnivellierung: KI-Modelle orientieren sich meist an bestehenden Mustern und könnten dadurch menschliche Besonderheiten und extreme Positionen abschwächen. Gleichzeitig bieten KI-Technologien, wie etwa Agentic AI und hybride Ansätze (echte Probanden kombiniert mit synthetischen Daten), die Chance, tiefergehende, differenzierte Insights zu generieren. Entscheidend ist eine bewusste, wertebasierte Nutzung dieser Methoden, um hohe Datenqualität, authentische Vielfalt und Konturen zu erhalten und nicht einer reinen KI-Mittelmäßigkeit zu erliegen. 

KI made in Europe ist möglich!

Die Marktforschung steht an einem Wendepunkt. Wer jetzt mutig handelt und KI gezielt einsetzt, sichert sich klare Wettbewerbsvorteile. Dabei sollten wir in Europa noch mehr zusammenarbeiten, um nicht global zurückzufallen. „KI made in Europe“ ist möglich, wenn Unternehmen, Institute, Panel- und Tech-Anbieter ihre unterschiedlichen Stärken kombinieren und daraus neue innovative Lösungen entwickeln. Zögern bedeutet Rückschritt. Die Zukunft ist nicht irgendwann – sie ist jetzt.

Die Fragen stellte Christian Thunig.

Das Interview ist erstmals erschienen im Jahrbuch der Marktforschung 2025