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Ist Facebook dominiert von inziviler Sprache? Veranstaltungsbericht zum virtuellen (Über-)Regionalabend aus Berlin am 25.05.2021

59 Teilnehmende verfolgten die Präsentation der veröffentlichten Studie „Ich und mein Facebook – Sprachverrohung in sozialen Medien“ von der Konrad-Adenauer-Stiftung e.V. und Ipsos. Der Regionalabend am 25. Mai 2021 bot damit den Nominierten für den Innovationspreis 2020, Dr. Viola Neu (KAS) und Dr. Hans-Jürgen Frieß (Ipsos), die Gelegenheit, ihre Studie noch einmal einem größeren und interessierten Publikum anschaulich zu vermitteln.

Auslöser für die Studie war die in der Öffentlichkeit verbreitete Ansicht, verrohte Sprache würde soziale Medien dominieren. Das Forscherteam stellte sich die Frage, ob diese Feststellung tatsächlich gilt, durch harte Fakten belegt werden kann und wer eigentlich die Verantwortung für Wortwahl und Tonalität in sozialen Medien trägt.

Schnell wurde dem Forscherteam klar, dass Befragungsstudien, die zuvor realisiert wurden, nicht hilfreich sind, das Thema in der Tiefe zu ergründen. Besser geeignet dagegen ist die Annäherung an solch ein Phänomen durch die empirische Analyse des vorhandenen Textmaterials.

Die Entscheidung fiel auf leicht zugängliches Datenmaterial von 20 Facebook-Profilen von Politiker/innen verschiedener Parteien, öffentlichen Personen, die sich politisch äußern, sowie Prominenten ohne politischen Bezug. Die Analyse erfolgte im zeitlichen Kontext der Bundestagswahlen 2017.

Untersuchungsgegenstand der Studie waren sämtliche Inhalte (n = 258.511 Posts, Nutzerkommentare sowie Posts­to­Page) auf diesen vordefinierten Facebook-Seiten, von denen eine Zufallsstichprobe vom Umfang n= ca. 5.000 bzw. n= rd. 230–600 pro Facebook-Profil inhaltsanalytisch ausgewertet wurde.

Der Fokus des Forscherteams lag während der Analyse auf besonders negativer (Sprachverrohung), aber auch besonders positiver Sprache (Affirmationen). Zunächst galt es, auf der Basis des kreativen Nutzerumgangs mit Sprache Sprachverrohung bzw. inzivile Sprache und Affirmationen zu operationalisieren und zu kategorisieren. Dabei wurde das Forscherteam von bisher unbekannten Begriffskreationen überrascht.

In mehreren Analyseschleifen wurden die einzelnen Kommentare anschließend den unterschiedlichen Kategorien zugeordnet. Dabei übernahmen automatisierte Prozesse den Löwenanteil. Schnell wurde jedoch deutlich, dass diese Tätigkeiten noch nicht vollständig automatisiert ablaufen können. Insbesondere ironische und zynische Kommentare mussten händisch identifiziert und zugeordnet werden.

Im Ergebnis wurden häufiger Beiträge mit affirmativer Sprache als inziviler Sprache identifiziert. Allerdings variieren die Anteile stark zwischen den unterschiedlichen Profilen. Es wurde deutlich, dass die Inhaberin bzw. der Inhaber des Profils einen starken Einfluss auf die genutzte Sprache der Follower hat. Wie so oft gilt: Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus.

Im Anschluss an den Vortrag blieb Zeit für Diskussionen zu Möglichkeiten und Grenzen des methodischen Ansatzes sowie zu  inhaltlichen Fragen. Zu diesem spannenden Thema gibt es bestimmt demnächst mehr zu lesen.

Sindy Krambeer
Matthias Wenzel
Regionalleitung Berlin-Brandenburg