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Erfolgreich Online-Communities aufbauen Veranstaltungsbericht zum virtuellen (Über-)Regionalabend aus Berlin am 18.03.2021

Dirk Wieseke (Kernwert GmbH) beschrieb zunächst aus Anbietersicht allgemeine Kennzeichen der Methode: Online-Communities gewähren durch die Interaktion auf einer Online-Plattform einen tiefen Einblick in die Beweggründe der Kunden, um diese auf Augenhöhe in Entscheidungen einzubeziehen. Dies wird ermöglicht durch den iterativen Einsatz unterschiedlicher Erhebungsmethoden wie Foren, Tagebücher, (Live-)Chats, Focus-Groups, Kreativaufgaben und das Hochladen von Fotos/Videos und kurze Onlinebefragungen. Dabei eignen sich Research Communities für vielfältige Fragestellungen. Sie sind zielgerichtet, damit zielgenau rekrutiert und moderiert und bieten einen geschützten Raum – sowohl für den Austausch von Gleichgesinnten als auch für private Auskünfte. Research Communities können für alle Themen und Branchen angewendet werden und erreichen auch unterschiedlich spitze Zielgruppen – B2C oder B2B – mit ethnographischen Ansätzen oder interaktiv für Co-Creation. Dirk Wieseke unterscheidet nach Untersuchungsdauer, Panelgröße und Zielstellung prinzipiell drei Arten: Pop-Up-, Projekt- und Ongoing Communities.

Abbildung: Research Communities: Pop-Up-, Projekt- und Ongoing Communities, Kernwert GmbH

Die Qualität der Ergebnisse stehe und fiele dabei mit dem Engagement der Teilnehmer. Dirk Wieseke präsentierte dazu die Ergebnisse einer Eigenstudie zur Teilnahme-Motivation. Dabei zeige sich, dass Communities sich bei vielen Befragten hoher Beliebtheit erfreuen. 60 Prozent zählen zu den „Promotoren“ und bewerteten die Methode besser als andere. Die Beteiligten möchten ernst genommen werden, etwas mit Gleichgesinnten bewegen und Teil einer Arbeitsgruppe sein. Für eine hohe Motivation solle daher ein gemeinsames Ziel definiert, der persönliche Einfluss hervorgehoben und die Neugier geweckt werden, neue Themen zu entdecken – zusätzlich zu finanzieller Wertschätzung.

Martin Grupe (SKOPOS CONNECT) stellte ein Best-Practise-Beispiel vor, das bereits im Look & Feel Maßstäbe setzt, den Porsche Advisors Club. Hier ist Porsche Eigentümer der Domain und somit der Daten. Ein hohes Commitment der Teilnehmer ist garantiert, denn die Porsche-Kunden werden von Porsche selbst eingeladen und die individuelle Fahrzeug-Konfiguration ist Teil des eigenen Community-Profils, was zusätzlich die gezielte Aussteuerung von Research-Aufgaben ermöglicht. Martin Grupe demonstrierte live die Community und stellte dabei das vielfältige Anwendungsspektrum vor - angefangen von Live-Abstimmungen, über die Nutzung als Ideenschmiede durch das Hochladen und Kommentierung von Bild- und Videomaterial bis hin zu UX-Tests. Einerseits stehen hier umfangreiche Möglichkeiten zur Verfügung, die Teilnehmeraktivitäten zu beobachten und Teilnehmerprofile auszuwerten. Anderseits ist damit die Auswertung häufig deutlich kleinteiliger als bei klassischen Umfragen. An dieser Stelle helfen einfach zu bedienende Live-Dashboards, die Daten aus unterschiedlichen Quellen zusammenzuführen und schnell darzustellen. Als Trend bezeichnete Martin Grupe die Entwicklung, dass Kunden dabei verstärkt selbst die Integration der Paneldatenbank in die eigene IT-Infrastruktur vorantreiben und dabei auf Tools zur eigenen Auswertung setzen.

Als nächstes zeigte Frank Ludewig die Erfolgskriterien und seine Erfahrungen aus Anwenderperspektive auf. Am Beispiel einer Research Community aus dem Bereich Telekommunikation beschrieb er zunächst seine Vision: Statt klassische Umfragen aus dem „Elfenbeinturm“ sollte ein lebendiger Dialog mit engagierten Teilnehmern entstehen. Dabei zeigte sich, dass eine Community intern einer komplexen Feinabstimmung bedarf, denn im Vorfeld müssen der Bedarf und Use Cases genau bestimmt, Kostenaufteilungen vereinbart und Strukturen für die interne Zusammenarbeit geschaffen werden.

Innerhalb der sechsmonatigen Vorlaufphase wurden daher Roadshows für interne Kunden organisiert und nach Verbündeten im Unternehmen gesucht, um eine potente Kundenplattform für viele Stakeholder aufzubauen. Die Einsatzgebiete waren dank eines hohen DIY-Anteils sehr vielfältig und leisteten einen hohen Mehrwert, angefangen von „Temperaturfühlerprojekten“, ergänzenden und ersetzenden Studien bis hin zu Studien, die die Folgeprojekte generiert haben. Dabei wurde von der Redaktion bis zur Analyse vieles selbst gemacht, aber auch auf Institutsleistungen zurückgegriffen. Die Community zeigte sich als wertvolles Instrument durch das authentische Kunden-Feedback. Sie erbrachte Ergebnisse mit hoher Umsetzungsrelevanz, ermöglichte neue Kundengruppen zu erschließen und führte so insgesamt zu einem guten Ausstrahleffekt im Unternehmen. Aus persönlicher Erfahrung von Frank Ludewig sollten die Erwartungen an eine Community jedoch realistisch bleiben: Es sei viel Arbeit, und Ungenauigkeiten würden in Kauf genommen. Repräsentativität sei nicht das Ziel. Man lerne sehr viel durch die Community, solange die Teilnehmer/innen durch einen guten Themenmix motiviert blieben.

Im Anschluss teilte Sybille Kerd (Barmer) ihre Erfahrungen aus einem Pilotprojekt mit einer qualitativ ausgerichteten Research Community mit circa 200 aktiven Teilnehmer/innen. Ausgangspunkt war das Bedürfnis, näher an Kunden und Kundinnen heranzurücken, die Kundenreise tiefer zu verstehen und sie stärker in Gestaltungsprozesse einzubinden (Co-Creation). In zwei Jahren entstanden über 12.000 Beiträge, für deren Stimulation und Auswertung eine Institutsunterstützung unabdingbar war. Typische Einsatzfelder waren Usabilty Tests, Pretests, Stimmungsbarometer, strategische Fragestellungen, Fragen zur Kundenbetreuung und Prozessoptimierung sowie der Realitätscheck durch die Community. Dabei zeigte sich das Instrument als wertvolle Unterstützung für die Funktion als hausinterner Berater. Der Output sei vielfältig, müsse jedoch auch mit den Kapazitäten verarbeitet und bewältigt werden können. Insgesamt sei die Community inzwischen etabliert, intern nachgefragt und durch die Live-Teilnahmen am Puls der Zeit. Sie müsse weiter ihren Nutzen zeigen, aber das Fazit lautete: „Wir machen weiter!“

Abschließend stellte Sebastian Syperek (Deutsche Bahn/DB Vertrieb) – unterstützt von einem kurzen Imagefilm – die Community „DB Kundenblick“ vor. Diese hoch responsive Community mit mehr als 3.000 Mitgliedern ist langfristig angelegt. Dabei wird in bis zu 100 Studien pro Jahr gleichermaßen qualitativ als auch quantitativ geforscht. Eine so umfangreiche Community bedarf auch einer entsprechenden Ressourcenausstattung. Insgesamt arbeiten circa fünf Beschäftigte intern und extern daran, die aktive Community zu bespielen und häufig selbst auszuwerten. Dabei erfolgt 90 Prozent über DIY in Eigenregie. Um die positive Wahrnehmung und Bewertung der Umfragen sicherzustellen, findet ein eigenes Controlling statt. Der Stellenwert im Unternehmen sei hoch und zusätzlich zu Corona-Zeiten gewachsen. Trotz der beeindruckenden Größe der Community versicherte Sebastian Syperek ein agiles Hands-On-Mindset: Neue Ideen würden immer wieder schnell ausprobiert.

In Ergänzung zu ihren Impulsen stellte sich die Expertenrunde immer wieder interessierten Fragen aus dem Publikum und dem Chat. Dabei wurden mit methodisch tiefen Fragestellungen zu Responseraten, Incentives und Vergleichssamples deutlich, dass das Thema „Research Communities“ auch viele Methoden-Experten im Publikum anlockte und begeisterte.

Matthias Wenzel
Sindy Krambeer
Regionalleitung Berlin-Brandenburg