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Gemeinsames Positionspapier von Bundesvorstand und Fachbeirat zur Abgrenzung von Tätigkeiten der Markt- und Sozialforschung von anderen Tätigkeiten 14.06.2016 / Verbandsnews / Vorstand und Fachbeirat des BVM

1 Vorbemerkung

Grundlage dieser Abgrenzung ist die „Erklärung für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zum ICC/ESOMAR Internationalen Kodex für die Markt- und Sozialforschung“ (vgl. PDF).

Darin heißt es unter „5. Abgrenzung gegenüber anderen Tätigkeiten“: „Wissenschaftliche Untersuchungen der Markt-, Meinungs- und Sozialforschung müssen in organisatorischer und technischer Hinsicht und klar erkennbar gegenüber anderen Tätigkeiten abgegrenzt sein. Sie dürfen nicht mit Tätigkeiten verbunden werden, die keine wissenschaftliche Forschung sind. Die Notwendigkeit dieser Abgrenzung gilt insbesondere gegenüber allen Tätigkeiten des Direktmarketings, der Werbung und der Verkaufsförderung. Es dürfen nur solche Tätigkeiten als Markt-, Meinungs- und Sozialforschung bezeichnet werden, die nachweislich die Anforderungen an wissenschaftliche Forschung – einschließlich angewandter wissenschaftlicher Forschung – erfüllen, um eine Irreführung zu vermeiden.“

Ziel dieser Bestimmung ist letztlich, dass eine Irreführung der Öffentlichkeit und der Befragten ausgeschlossen werden kann. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass fachkundige Personen (z.B. Kunden der Marktforschung) weniger Abgrenzung benötigen als die allgemeine Bevölkerung, weil sie leichter differenzieren können. Doch auch gegenüber diesen Personenkreisen ist eine unzweideutige Abgrenzung erforderlich.

Dabei wird Markt- und Sozialforschung in der Erklärung weiter oben definiert als eine Tätigkeit, die:

  • Wissenschaftliche Forschung in dem Sinne ist, dass sie auf die Gewinnung generalisierbarer Erkenntnisse abzielt und mit angemessenen Methoden durchgeführt wird.
  • Das Anonymisierungsgebot beachtet, die personenbezogenen Daten also grundsätzlich nicht an den Auftraggeber weitergibt.
  • Nicht Direktmarketing, Verkaufsförderung und / oder Werbung ist. Der Zweck der Markt- und Sozialforschung besteht nicht in der Erzielung einer Einstellungs- oder Verhaltensänderung, sondern in der Gewinnung von Erkenntnissen.

2 Interpretation der Abgrenzungsvorschriften

2.1 Unterschiedliche Namen der Organisationen erforderlich

Die „Erklärung“ fordert eine klare organisatorische Abgrenzung. Diese Klarheit muss vor allem nach außen und vor allem gegenüber der allgemeinen Bevölkerung geschehen, damit eine Irreführung bezüglich des Erhebungszwecks vermieden wird. Es muss demnach vor allem die Organisation klar getrennt sein, welche nach außen gegenüber der allgemeinen Bevölkerung auftritt.

Dazu ist es erforderlich, dass die Trennung klar im Namen der ansprechenden Organisation zum Ausdruck kommt. Die Namen von Marktforschungsorganisationen und Nicht-Marktforschungsorganisationen dürfen daher nicht in relevanten Teilen übereinstimmen. Der telefonische Kontakt ist oft so kurz, dass nur Teile eines Organisationsnamens gemerkt werden. Wird einer dieser Teile z.B. in eine Suchmaschine eingegeben, so führt das Auftreten von Marktforschungs- und Nicht-Marktforschungsorganisation schon zu mangelnder Klarheit.

Eine Bezeichnung ABC Marktforschung ist in diesem Sinne nicht klar genug unterschieden von einer ABC Marketingservice oder von einer ABC Direktmarketing. Dagegen wäre eine ABC Marktforschung klar unterschieden von einer XYZ Marketingservices oder einer XYZ Direktmarketing.

Die beiden Organisationen müssen also nach außen entsprechend eigenständig auftreten, also mit jeweils eigener Website mit unterschiedlichen Datenschutzvereinbarungen, eigenen E-Mail-Signaturen und eigenem Logo.

2.2 Räumliche, personelle und / oder zeitliche Trennung

Weiter ist es erforderlich, dass sichergestellt ist, dass externe Anrufer, die wegen eines Marktforschungsprojekts anrufen und Anrufer, die wegen eines Nicht-Marktforschungsprojekts anrufen, mit der jeweils zutreffenden Organisation kommunizieren. Das wird nicht funktionieren, wenn die gleiche Person auf dem gleichen Schreibtisch „zwei verschiedene Telefone“ für Marktforschungs- und Nicht-Marktforschungsprojekte stehen hat.

Organisatorische Trennung bedeutet also, dass für Personen mit Außenkontakten entweder eine klare personelle Trennung (Personen, die Marktforschungsprojekte bearbeiten, dürfen nicht auch Nicht-Marktforschungsprojekte bearbeiten) und / oder eine räumliche Trennung (Marktforschungsprojekte und Nicht-Marktforschungsprojekte werden aus unterschiedlichen Räumen heraus bearbeitet) oder eine klare zeitliche Trennung vorliegen muss.

Dabei bedeutet zeitliche Trennung, dass Marktforschungsprojekte und Nicht-Marktforschungsprojekte zwar von der gleichen Person aus den gleichen Räumen bearbeitet werden können, jedoch nicht parallel. Parallele Bearbeitung bedeutet, dass sich die Feldphasen überlappen. Dies ist nicht erlaubt, weil in diesem Fall nicht gewährleistet werden kann, dass ein Anrufer zweifelsfrei der richtigen Organisation zugeordnet werden kann. Gleiches gilt auch für Mitarbeiter(innen) in Telefonstudios oder Interviewer(innen) für persönliche Interviews.

2.3 Wechselnder Einsatz intern tätigen Personals möglich

Dagegen ist es i.d.R. unschädlich, wenn Personal, das keine projektbezogenen Kontakte zur allgemeinen Bevölkerung hat, wie z.B. Codierer, Programmierer, Methodiker oder IT-Personal parallel an Marktforschungs- und Nicht-Marktforschungsprojekten arbeitet. Dennoch müssen Vorkehrungen getroffen werden, dass auch diese Personen bei jedem Projekt klar informiert sind, ob ein Datenbestand zu einem Marktforschungs- oder zu einem Nicht-Marktforschungsprojekt gehört, weil z.B. nur so gewährleistet werden kann, dass auf allen Ebenen die Wahrung der Anonymität verfolgt wird.

2.4 Technische Abgrenzung: Klare Trennung der Erreichbarkeit, jedoch Nutzung der gleichen IT bei klar getrennten Zugriffsrechten

Die technische Abgrenzung betrifft zunächst die Erreichbarkeit. Es muss auf allen Kommunikationswegen sichergestellt sein, dass die den Kontakt suchende Person immer entweder bei den für ein Marktforschungsprojekt oder aber bei den für ein Nicht-Marktforschungsprojekt konzipierten Kontaktstellen (Person, Website) ankommen. Dies erfordert klar unterschiedliche Websitebezeichnungen, Telefon- und Fax-Nummern. Das gilt insbesondere auch für Telefonnummern, die bei telefonischen Interviews übermittelt werden.

Es ist jedoch nicht erforderlich, dass die Projekte bezüglich der sonstigen Ressourcen getrennt werden. So können Datensätze für Marktforschungsprojekte und für Nicht-Marktforschungsprojekte auf der gleichen EDV-Anlage verarbeitet werden. Auf die Marktforschungsprojekte dürfen jedoch nur die Personen zugreifen, die mit diesem Projekt betraut sind und auch in den für solche Projekte gültigen besonderen Regeln geschult sind. Entsprechende Zugriffsrechte sind zu schaffen. Die Anforderungen sind hier höher zu setzen, als bei einer klaren Trennung der IT-Systeme, bei der die Markforschungsorganisation eigene Systeme betreibt und nur sie Zugriff darauf hat.

Außerdem ist es erforderlich, dass auch die für Marktforschungsprojekte eingesetzte Software die Einhaltung der Regeln der Marktforschung berücksichtigt. So müssen z.B. in der Panelforschung die Verarbeitung der Kontaktdaten der Panelteilnehmer und die Verarbeitung der Bewegungsdaten (z.B. Einkäufe beim Verbraucherpanel, Surfverhalten bei einem Internetpanel) in getrennten Strängen verarbeitet werden.

2.5 Keine Verbindung von Marktforschungstätigkeiten mit Nicht-Marktforschungstätigkeiten

Das bedeutet zunächst, dass die gleiche Person beim gleichen Kontakt nicht nacheinander zu einem Marktforschungsprojekt und zu einem Nicht-Marktforschungsprojekt befragt werden darf. Es darf auch nicht im Zusammenhang mit einem Marktforschungsprojekt der Kontakt zu einem Nicht-Marktforschungsprojekt angebahnt werden. Schließlich ist es auch verboten, Personen für Onlinepools anzuwerben, die abwechselnd im Rahmen von Marktforschungsprojekten und Nicht-Marktforschungsprojekten befragt werden. Kontakte aus solchen Online-Pools wären auch nicht mehr klar entweder der Marktforschungsorganisation oder der Nicht-Marktforschungsorganisation zuordenbar.

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