Seitenanfang

Martina Vollbehr im Interview: „Der Faktor Mensch ist unerlässlich“ 27.09.2022 / Interviews

Der BVM-Kongress im Juni in Frankfurt war ein voller Erfolg. Viele Teilnehmende haben u. a. positive Rückmeldungen zum Slot der Marketers gegeben: Welche Anforderungen haben Marketingverantwortliche und welche spannenden Entwicklungen sehen sie in der Marktforschung. BVM-Vorstandsmitglied Christian Thunig sprach daher mit Martina Vollbehr, Geschäftsführerin der Kommunikationsagentur Pilot, über die Relevanz von Marktforschung für ihre Arbeit, den Vorteil schneller Datenmessbarkeit und die Gefahr von Aktionismus.

Frau Vollbehr, Pilot unterstützt, berät und plant Kommunikation für Marken und Unternehmen. Welche Rolle spielt dabei Marktforschung?
Sie ist integraler Bestandteil unserer gesamten strategischen und taktischen Arbeit. Sei es bei der Architektur von Kommunikation, sei es bei der Kampagnenumsetzung – da setzen wir stets auf fundierte und begleitende Forschung, um unseren Kunden bei ihren Investitionsentscheidungen bestmöglich zu helfen.

Worauf kommt es entscheidend an?
Am Ende geht es um die Wirkung und deshalb entwickeln wir die Wirkungsforschung kontinuierlich weiter. Das ist unser Mantra bei Pilot: Wirkung durch Zusammenarbeit. Sie entsteht nicht nur in der Marktforschung, sondern bei uns überall im Haus. Dafür braucht es gute Tools und tolle Berater in allen Disziplinen.

Wie hat sich aus Ihrer Sicht die Marktforschung verändert?
Seit Anfang der 2000er Jahre und durch die Digitalisierung: grundlegend. Marktforschung ist viel schneller geworden, Online-Panels sind zum gebräuchlichen, effizienten Sample-Setzkasten geworden, Ergebnisse lassen sich viel besser visualisieren. Hinzu kommt, dass man Interviews spannender gestalten kann, etwa durch die Einbindung interaktiver Elemente. Rohdaten speisen sich aus unterschiedlichen Quellen und sind besser verfügbar, was bei Modellierungen und Machine-Learning-Ansätze hilft.

Wie profitieren Sie als Agentur davon?
Wir sind heute noch enger an den Kampagnen dran und können schnell Signale einfangen, ob etwas funktioniert oder nicht. Das gilt vor allem für sämtliche elektronischen Medien, von Klassik und Digital bis zu Social und Digital-out-of-Home. Nach einer Conversion Rate oder der Verweildauer müssen wir nicht mehr fragen, sie werden gemessen. Das hilft enorm.

Ist es verzichtbar, Menschen explizit zu fragen?
Ich sehe das offen und holistisch. Motivforschung, das Hinterfragen von Zielgruppen, von Bedürfnissen der Menschen – da reicht es nicht aus, sich nur auf die vermeintlich unverfälschten Daten aus dem Netz zu fokussieren. Und was wir nicht vergessen dürfen: Wir können exzellent Informationen auswerten, nachdem eine aktive oder passive Handlung erfolgt ist. Aber das, was unterlassen wurde, eine Nicht-Handlung, hinterlässt weniger Spuren. Dabei steckt hier oft das Potenzial für Source of Growth.

Bringen all die neuen Tools und Möglichkeiten auch Nachteile mit sich?
Wenn es einfacher wird, mal so eben Forschung durchzuführen, muss man umso mehr auf die Qualität achten, was etwa die Interpretation von Ergebnissen und die Ableitung echter Insights betrifft. Es darf nicht aktionistisch werden. Echtzeit-Forschung ist machbar, aber nicht immer kann die operative Umsetzung mithalten. Near-time-research reicht auch. Und nicht zu vergessen: Der Faktor Mensch ist heute unerlässlicher denn je. Ein Ergebnis wird erst dann zu einer Erkenntnis, wenn sich ein Kontext herstellen lässt und man sich auch traut, Empfehlungen auszusprechen.

Wie soll sich Marktforschung idealerweise einbringen, um einen echten Wertbeitrag für Marken und Unternehmen zu leisten?
Das betrifft viele Aspekte: hohe Dialogbereitschaft, up to date, fachlich kompetent und offen für Test & Learn-Ansätze sein. Ich finde es wichtig, agnostisch zu sein für Impulse von außen, denn alles ist im Fluss, daher: Bitte kein Herrschaftswissen aufbauen, sondern bereit sein, Dinge zu probieren und zu verändern.

Liebe Frau Vollbehr, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

************

Martina Vollbehr arbeitet seit dem Jahr 2000 für Pilot Hamburg und ist geschäftsführende Gesellschafterin. Die diplomierte Ingenieurin in Agrarökonomie und -wissenschaften gehört dem Expertenkreis von Best for Planning (b4p) an, ebenso dem VUMA-Entwicklerteam und ist mit ihrem Unternehmen Mitglied des BVM.  Pilot wurde 1999 als Mediaagentur gegründet und hat sich zu einem der größten unabhängigen Fullservice-Dienstleister für Kommunikation entwickelt.

Zurück