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Die Logik des Konsumierens - Prof. Dr. Armin Nassehi im Interview 20.05.2022

Prof. Dr. Armin Nassehi ist derzeit einer der angesagten Soziologen in Deutschland. Er ist omnipräsent und wird nicht nur im „heute journal“ zum Zustand der Gesellschaft, die derzeit mehrfach durchgerüttelt wird, gefragt – auch für den BVM liefert er eine griffige Analyse.

BVM-Redaktion: Wenn Sie Gesellschaft grundsätzlich analysieren, was sind für Sie wichtige Indikatoren?

Prof. Dr. Armin Nassehi: Man muss vor allem auf die Differenz zwischen sagbaren Intentionen und Konzepten und die strukturellen Möglichkeiten innerhalb von Rahmenbedingungen schauen. Wir sind unglaublich gut darin, Utopien und Ziele zu entwickeln, Modelle und Forderungen zu formulieren. Aber wir sind eher begrenzt darin, mit der Widerständigkeit der Strukturen auf dem Weg zu den Zielen zu rechnen. Der forschende Blick muss also dahin gehen, wie und warum unvermeidliche Zielkonflikte auftreten und wie man Veränderungsprozesse moderieren kann.

Sie untersuchen in Ihrem Buch „Unbehagen“ genau die Widersprüche zwischen Erkenntnis und Verhalten. Ihre These: Moderne Gesellschaften sind mit sich selbst überfordert. Inwiefern?

Das Besondere an der modernen Gesellschaft ist die Gleichzeitigkeit von nie gekannter Leistungsfähigkeit in den einzelnen gesellschaftlichen Bereichen (Ökonomie, Technik, Politik, Wissenschaft etc.) und einer Überforderung in der Koordinierung und Abstimmung dieser unterschiedlichen Bereiche. Sie sind mit sich selbst überfordert, weil eben dies zur unhintergehbaren Struktur moderner Gesellschaften gehört. Dennoch müssen solche Koordinationsversuche stets gemacht werden, ohne dass es am Ende ein Handeln aus einem Guss geben kann. Das ruft nach intelligenten Lösungen. 

Gesellschaftliches Verhalten in Krisensituationen ist besonders spannend: Warum äußerst sich die Angst der Deutschen häufig in irrationalen Hamsterkäufen, wo doch die Knappheit unserer Güter insgesamt rational überhaupt nicht gegeben ist?

Mit Hamsterkäufen simuliert man Handlungsfähigkeit. Es wird imaginiert, Toilettenpapier oder Speiseöl werde knapp, und durch den Kauf von Vorräten sieht es in einem Moment so aus, man sei für die Krise gerüstet. Ohnehin gibt es in Krisensituationen oft so etwas wie Ersatzhandlungen - was ja auch davon entlastet, die wirklichen Probleme zu lösen. Das gilt nicht nur für den privaten Hygieneartikelbedarf, sondern manchmal auch für weitreichende politische und manchmal auch unternehmerische Entscheidungen.

In seiner Keynote auf dem BVM-Kongress im Juni in Frankfurt am Main referiert Armin Nassehi zum Thema Die Logik des Konsumierens: Was Menschen wirklich wollen - eine gesellschaftliche Bestandsaufnahme.

Mehr zum Kongress am 20.-21. Juni 2022

 

 

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