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Adverse Event Reporting und Marktforschung 01.11.2012 / Branchennews / Prof. Dr. Raimund Wildner, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des BVM

Pharmafirmen drängen immer mehr und häufiger danach, dass Marktforscher auch Aufgaben des Adverse Event Reporting übernehmen. Unerwünschte Ereignisse bzw. Adverse Events sind nachteilige Nebenwirkungen oder auch Missbrauchsfälle, die im Zusammenhang mit der Einnahme von Medikamenten auftreten. Jeder Arzt ist verpflichtet, solche Ereignisse zu melden. Pharmafirmen wollen nun, dass auch Interviewer solche Ereignisse melden, wenn sie während eines Interviews zur Sprache kommen und nehmen entsprechende Verpflichtungen in ihre Rahmenverträge auf. Die Marktforschung soll so Teil der von den Pharmafirmen zu leistenden Anwendungsbeobachtung werden, mit der laufend auf dem Markt befindliche Arzneimittel beobachtet werden müssen.
Kann, darf, soll der Marktforscher hier mitwirken und wenn ja, in welcher Form?

Zunächst: Keinesfalls darf der Marktforscher personenbezogene Daten von Patienten, bei denen solche unerwünschten Effekte aufgetreten sind, erfassen und weitergeben. Gesundheitsdaten sind im Datenschutzrecht besonders geschützt. §28 Abs. 7 BDSG enthält zwar eine Erlaubnisnorm für Zwecke der Gesundheitsvorsorge. Diese gilt aber nur für medizinisches Personal, wozu Interviewer nun einmal nicht gehören.

Zweitens: Der Marktforscher darf auch nicht die personenbezogenen Daten des Arztes weitergeben. Gemäß §30a BDSG muss Marktforschung anonymisiert erfolgen. Die Adressenrichtlinie präzisiert unter Ziffer 6.3, dass bereits die Teilnahme an einer Untersuchung ein schützenswertes personenbezogenes Datum darstellt. Wenn nun ein Marktforscher ein unerwünschtes Ereignis unter Nennung des Arztes berichtet, dann weiß der Empfänger, dass diese Information im Rahmen eines Interviews erlangt wurde. Zudem wird dem Arzt bereits vor Beginn des Interviews zugesagt, dass er anonym bleibt. Das muss gelten.

Der Marktforscher darf zwar den Arzt fragen, ob er das unerwünschte Ereignis schon gemeldet hat und ihn gegebenenfalls bitten, dies gemäß seinen berufsständischen Pflichten nachzuholen. Aber er darf es nicht statt des Arztes tun und dabei den Arzt namentlich nennen.

Darf der Interviewer anonymisiert – d.h. ohne namentliche Nennung des Arztes – berichten? Dagegen spricht, dass damit u.U. Marktforschung mit anderen Dingen verbunden wird, was nach der ESOMAR Richtlinie und der ergänzenden Erklärung der Deutschen Verbände nicht statthaft ist. Dafür lässt sich zunächst ins Feld führen, dass diese Bestimmung vor allem verhindern will, dass Verkauf und Marktforschung gekoppelt werden. Davon kann hier jedoch keine Rede sein. Dafür lässt sich aber vor allem auch ins Feld führen, dass die anonymisierte Berichterstattung von unerwünschten Ereignissen durchaus auch als Marktforschung verstanden werden kann. Auch bei Produkttests werden ja Negativerlebnisse mit einem Produkt u.U. auch einzeln berichten. Einzelne Ereignisse lassen sich zwar nicht hochrechnen. Es widerspricht jedoch nicht der Wissenschaftlichkeit der Marktforschung, wenn sie dennoch berichtet werden, weil schon die Information, dass bestimmte Ereignisse eintreten können, wichtig sein kann. Die Meinungsbildung ist hier zwar noch nicht abgeschlossen. Es spricht aber viel dafür, dass eine Berichterstattung ohne namentliche Nennung des Arztes gerechtfertigt werden kann.

Von Seiten der Pharmafirmen wird eingewendet, dass eine namentliche Nennung erforderlich ist, um nachfragen zu können. Dazu ist jedoch zu sagen, dass sich solche Nachfragen auch durchführen lassen, ohne die Anonymität des Arztes zu verletzen, wenn die Nachfrage über das Institut erfolgt. Selbst eine vom Institut hergestellte Telefonkonferenz ist denkbar. Für beides muss selbst-verständlich die Erlaubnis des betreffenden Arztes eingeholt werden. Zugegeben, das ist etwas umständlich. Aber die Beachtung von Vorschriften kann eben nun mal lästig sein. Dennoch ist sie notwendig, um das Vertrauen der Öffentlichkeit und der Befragten in die Markt- und Sozialforschung zu erhalten und zu stärken. Es wurde schon einmal erwähnt: Schließlich versichern wir dem interviewten Arzt zu Beginn des Interviews, dass er anonym bleibt. Da erfordern es schon Treu und Glauben, dass wir uns auch daran halten.

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