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Expertenrunde zu den Wahlumfragen im Bundestagswahlkampf 2021 Veranstaltungsbericht zum virtuellen Regionalabend Berlin-Brandenburg am 30. September 2021

Am 30. September 2021, vier Tage nach den Bundestagswahlen haben wir gemeinsam mit  Prof. Dr. Peter Selb, Universität Konstanz, Prof. Dr. Faas, FU Berlin, Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft, Dr. Yonne Schroth, Forschungsgruppe Wahlen und Paul Bremer, Rheingold Institut, auf die Wahlumfragen der vergangenen Monate zurückgeblickt.

Prof. Dr. Peter Selb und sein Team analysieren seit 2017 veröffentlichte Wahlumfragen und stellten fest, dass sich die Ergebnisse der veröffentlichten Wahlumfragen der einzelnen Institute kaum in ihrer Vorhersagegüte voneinander unterschieden haben, also kein Vorteil einer Erhebungsmethode deutlich wurde. Des Weiteren identifizierte er auch keine sogenannten „Hauseffekte“ der Institute, und es zeigte sich auch kein klarer Zeittrend hinsichtlich der dokumentierten Verzerrungen.

Mittels tiefenpsychologischer Interviews, die vom Rheingold Institut durchgeführt wurden, konnten im Vorfeld gesellschaftliche Trends beobachtet werden. Im Abgleich mit der Präsentation der einzelnen Parteien und der allgemeinen psychologischen Bedürfnislage konnte laut Paul Bremer das Wahlergebnis gut erklärt werden und stimmte mit dem tatsächlichen Wahlergebnis zugleich gut überein. Mehr dazu auf der Website von Rheingold

Dr. Yvonne Schroth unterstrich, dass Wahlumfragen bei dem Wahlkampf der vergangenen Bundestagswahlen omnipräsent waren, ihnen jedoch weniger getraut wurde als in den Jahren zuvor. Zugleich wurden von den Experten und Expertinnen größere Sprünge in der Sonntagsfrage und Akzeptanz der Parteien beobachtet, was die Forschungsgruppe Wahlen mit einer größeren Ratlosigkeit, wie die Wahl ausgehen würde, aber vor allem mit einem noch nie dagewesenen Ausmaß an Volatilität der Wählerinnen und Wähler in Verbindung brachte.

Prof. Dr. Thorsten Faas erläuterte, dass Wahlumfragen beeinflussen: die Wähler/innen genauso wie die Wahlkämpfer/innen und Parteien. Beschrieben wurden affektive und kognitive Effekte. Die Forschungsgruppe Wahlen bestätigte dies anhand eigener Forschungsergebnisse. Noch zu wenig wisse man laut Prof. Faas darüber, inwiefern Wahlumfragen auf die Entscheidungsfindung einwirken. Sicher sei jedoch, dass Umfragen einen Einfluss ausüben, wenn es für eine Partei „eng“ werde.

Als Trend wurden von den Experten und Expertinnen die aggregierten Darstellungen der Wahlumfragen ausgemacht, die zwar den zufälligen Fehler verringern, aber wertlos seien, wenn die Umfragen systematische Fehler enthielten. Diskutiert wurden Möglichkeiten zur Reduktion von systematischen Fehlern, „Rezepte“ für gute Projektionen, die Grundgesamtheit von Wahlumfragen sowie Darstellungsformen von Umfrageergebnissen für die breite Öffentlichkeit. Vor dem Hintergrund der Vielzahl spannender Forschungsfragen warben die Vertreter der Wissenschaft um eine intensivere Kooperation zwischen Hochschulen und Meinungsforschungsinstituten.

Sindy Krambeer und Matthias Wenzel
Regionalleitung Berlin-Brandenburg